Christoph Urwalek – Magazin (Eröffnungsrede)
Gustav Schörghofer
Wien, Jänner 2013
Das erste Mal, als ich den Arbeiten von Christoph Urwalek begegnet bin, das war vor ungefähr 15
Jahren. Er ist damals ein sehr verheißungsvoller Maler gewesen, und hat in Öl gearbeitet. Und das
waren sehr farbige Bilder. Man hat gesehen, da arbeitet jemand, der einen Sinn für Farben hat. Es
gab Anklänge an das Landschaftliche. Es waren sehr raumhaltige atmende Bilder, und sie sehen, dass
ist ganz anders geworden.
Da kann man ihm nur gratulieren, denn dazu gehört viel Mut. Nicht nur, dass es Schwierigkeiten gibt
mit Leuten, die sich Bilder von ihm wünschen. Die schon das Sofa angeschafft haben, dass farblich
passt, auch die Galeristen sind irritiert, weil ihnen dann die Kundschaft abhanden kommt, wenn der
Künstler nicht mehr jene Ware liefert, die eine Kundschaft gewohnt ist. Das ist ein gewagtes
Unternehmen, einen Stil radikal zu ändern. Das sieht man selten, wirklich selten.
Was ist zu sehen. Das sind großformatige Arbeiten, aber auch kleinere Formate. Sie können sehen,
dass sie verbunden sind durch die collageartige Technik. Die kleinen sind echte Collagen,
aufgeklebte, ausgeschnittene Bildeinheiten, teilweise ist mit Siebdruck gearbeitet worden. Das ganze
hat, wenn man sich dem annähern will, mit einer Flut der Bilder zu tun. Wir sind ja Tag für Tag mit
einer Fülle von Bildern, mit einer Bildproduktion unvorstellbaren Ausmaßes konfrontiert, und
verarbeiten das. Lassen vieles Ausscheiden, und werden von vielem auch natürlich in unserer
Wahrnehmung und unserem Verhalten beeinflusst. So kommt es dann, dass ein bestimmter Frauentyp
einfach gleich ausschaut, und das kommt auf die Männer jetzt auch massiv zu. Es wird ein Typ
vorgeschlagen, der ein bestimmtes Verhalten hat, bestimmte Kleidung, einen bestimmten Stil des
Auftretens pflegt. Und diesem Typ passt man sich an - als Ideal – und findet dann selbstverständlich
die entsprechende Frau, die auch wieder aus einem Magazin ihr Vorbild genommen hat. Das kann man
entdecken, zumindest so, dass diese Bildwelt einen mächtigen Einfluss auf uns hat, die das
Kaufverhalten beeinflusst und die Wünsche des Aussehens beeinflusst usw…
Und diese Bildentwürfe tauchen nun auf in diesen Collagen bzw. großen Bildern. Das sind alles
Versatzstücke aus einer Fülle von Weltentwürfen. Da kommen manche Dinge wiederholt vor, wie dieses
fesche Mädchen, dass da geht, oder schießende Personen, oder eine Gestalt die um 90 Grad gedreht
ist, und die werden in unterschiedlicher Art und Weise zueinander in Beziehung gebracht, und
hineingesetzt in dieses große Weiß. Es wird nicht Zusammengehörendes vereint, und es werden so neue
Geschichten erfunden. Und es werden ganz neue Wirklichkeiten ersonnen. Das ganze hat auch einen
Bezug zur Pop Art.
Die hat ja verwandt gearbeitet. Auch die Rasterung durch den Siebdruck erinnert daran. Es ist
weitgehend eine Welt junger Menschen, aber man könnte sich das Ganze auch mit alten Menschen
vorstellen. Bei denen geschieht genau das gleiche. Die können sich auch nicht aufführen wie sie
möchten. Sie müssen auch bestimmten Vorbildern entsprechen. Es ist Chic vorhanden, es ist Gewalt
vorhanden, und es ist auch beiläufiges vorhanden wie ein Hund, der da seelenruhig schläft, während
um ihn herum wild geschossen wird. Die Kunst hat früher Bilder produziert, und hier hat man es nun
mit einer Kunst zu tun, die den Betrachter, die Betrachterin in ein kritisches Verhältnis zu Bildern
setzt. Natürlich sind auch das Bilder, die produziert werden, aber sie setzen den Betrachter in ein
kritisches Verhältnis zur Bildproduktion, die uns umgibt, und die auf uns einstürmt. Um diese
Kultivierung eines kritischen Bewusstseins geht es hier.
Es wird natürlich auch etwas verborgen und verschwiegen, und es lohnt sich darauf hinzuschauen. In
der zeitgenössischen Musik zum Beispiel gibt es ganz große stille Passagen, wo keine Musik im Sinne
eines Klangs passiert. Und auch hier gibt es ganz große weite Flächen, wo im Grunde genommen keine
Aussage gemacht wird. Es ist sehr viel Weiß, und es gibt auch Schwarz. Es lohnt sich das
wahrzunehmen. Das ist auch Gestaltet, denn es ist gewalzt, und man sieht, dass es manchmal an die
Struktur der Wände erinnert, und die Bilder haben fasst so was von einer Wandmalerei, oder einer
Collage direkt auf die Wand.
Und das poetische dieser Bilder, das scheint mir wichtig auch auf das zu achten. Es geht nicht
einfach nur um eine Schulung des Intellekts, sondern das poetische dieser Bilder ist in diesem
stillen und fast verstummenden Weiß zu finden. Im Grund geht es da um einen lebenden Menschen, und
zwar der vor den Bildern steht. Der soll feinfühliger, hellsichtiger und hellhöriger werden für das
was mit ihm geschieht. Und das Weiß ist dabei so etwas wie ein Resonanzraum. Das andere ist, dass
diese Bilder ja auch etwas sehr witziges haben, und nicht so Bierernst genommen werden sollen:
Gewissermaßen als Aufforderung zum Schiessen, oder als Aufforderung zum Chic sein, oder Holzhütten
zu bauen. Auch nicht so Ernst, wenn eine Sprechblase eingefügt wird mit dem Ausdruck einer großen
Hoffnung.
Und auch hier diese Milieustudie. Wir werden ja alle eingeteilt. Aber diese Einteilerei hat ja auch
etwas verdächtiges. Es gibt in der heutigen Zeit, wo man keinen festen Boden mehr unter den Füssen
hat, ein ungeheures Bedürfnis irgendwo dazuzugehören, irgendwo eingeteilt zu sein. Und dazu ist das
eine große Hilfe. Sie können sich von der Oberschicht bis zur Unterschicht und vom Festhalten bis
zum Grenzen überwinden hineinfinden. Und das ist natürlich auch sehr merkwürdig. Sie haben sich
sicher selbst schon irgendwie eingeteilt. Da wird witzig mit Dingen umgegangen, die im Bewusstsein
präsent sind, aber oft gar nicht hinterfragt werden. Es wird auch witzig mit einem Jugendkult
umgegangen. Das ganze heißt Magazin, weil es sich auf ein Magazin bezieht, wo das neue Männerbild
"Another Man" entworfen wird. Und Christoph Urwalek macht aus "Another Man A" wirklich einen anderen
Mann, indem eigene Gestalten entstehen, die zum Teil wie andere Lebewesen ausschauen, irgendwas
komisches an sich haben, in sich gebrochen sind, wo der Ernst dieses Lebensentwurfs gebrochen wird,
und eine Freiheit entsteht, wo man das ganze auch ein bisserl komisch finden kann. Und das schadet
uns allen nicht.
Download PDF